Globale Rekonfigurationen von Arbeit und Kommunikation von Boike Rehbein und Klaus-W. West (Hg.)

“Die aufstrebenden Mächte und Märkte sind zu groß und zu heterogen, um ausschließlich als Nationalstaaten betrachtet zu werden. Sie sind vielmehr charakterisiert durch die innere Globalisierung, die lokale Akkumulation, regionale Verdichtungen und nationale Vielfalt…. Laut Schwengel ist dieser Zusammenhang weder in politischer noch in soziologischer Hinsicht im Blick. Damit werden zwei als gegeben betrachtete Größen in Frage gestellt: die euro-amerikanische Nachkriegsordnung und die tief im Eurozentrismus verwurzelten Sozialwissenschaften.”

Diese Sätze aus der Einleitung des Buches, das als “Festschrift” konzipiert wurde, zeigen den intellektuellen und inhaltlichen Rahmen, der hier zu finden ist. Er ist groß und ergiebig.

Das für mich wesentliche Thema dieses Buches ist aber das “Querschnittsproblem … nach den Perspektiven der Arbeitsgesellschaft.”

Wenn Sie einen Blick auf das Inhaltsverzeischnis des Buches werfen, dann merken sie sehr schnell, dass hier über den Tellerrand hinausgedacht wird. Die Beiträge sind zudem in englischer und deutscher Sprache geschrieben.

Insgesamt ist es ein Buch, das sprachlich und inhaltlich eher für Wissenschaftler geeignet ist und daher diese wichtigen Zusammenhänge so wohl kaum in die Politik und die Köpfe der Menschen transportiert. Leider.

Man würde sich wünschen, dass es ein Buch über dieses Buch geben würde, eine Art Fibel der Globalisierung, um das hier vorhandene brilliante intellektuelle Wissen auch nutzbar zu machen.

Wenn Amand Kumar über “postcolonial sociology” spricht und dabei zunächst die Arbeit indischer Soziologen beschreibt, um dann die Soziologie neu aufzusetzen mit einem “bi-focal view”, dann hat das was.

In seinem Aufsatz “Jenseits der Arbeitsteilung” zeigt Boike Rehbein, warum unsere Messmethoden und Sichtweisen in Europa und Amerika völlig überholt sind, wenn man einen weiteren Blick auf die Welt wirft.

Wir hängen Fiktionen aus Zeiten nach, die längst vorüber sind.

Er erweitert den Begriff der Arbeit durch die “Vita activa” von Hannah Arendt und blickt dann auf die Regionen der Welt jenseits der eurozentrischen Arbeitsteilung.

“Meine These lautet nun, dass die Verallgemeinerung der Arbeit in Südostasien noch nicht stattgefunden hat – und auch nie im uns gewohnten Maße stattfinden wird… Aus historischer und asiatischer Perspektive erscheinen liberale und marxistische Theorien, die Arbeit mit Produktion und sozialer Position identifizieren und für den Kern der Gesellschaft halten, wie wahnhafte Fieberfantasien ohne empirischen Gehalt.”

So gesehen muss man auch die Soziologie, die heute gelehrt wird, auf ihre Zukunftsfähigkeit und ihren sozialen Nutzen hinterfragen.

Direkt im Anschluss in diesem Band fragen Nina Degele und Sigrid Schmitz nach “kapitalismuskompatiblen Körpern”. In ihrer weiteren Argumentation weisen sie auf eine auch hier zunehmend dominiernede Tendenz hin: “Zentrale Strategie dabei scheint die Verlagerung der Verantwortung für gesellschaftliche Risiken wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, Armut in den zuständigkeitsbereich von kollektiven und individuellen Subjekten zu sein. Flexibilisierung ist gleichzeitig mit einer Verinnerlichung erwünschter Körpernormen verbunden, und diese orientieren sich an Nützlichkeitsstandards.”

So führt uns dieser Band mit vielen weiteren Themen, die sie dem Inhaltsverzeichnis entnehmen können, durch die Welt von heute.

Ich finde, dass das Buch eine spannende und wissenschaftlich nützliche Lektüre ist.

Das Buch lohnt sich für Menschen, die die englische und die deutsche Sprache beherrschen und die soziologische Terminologie mögen. Darüber hinaus bietet es Perspektiven, die sehr viel in Frage stellen und Mut machen, anders zu denken.

Das ist aber nicht unbedingt kapitalismuskompatibel. So transzendiert dieses Buch das System, das es analysiert.

Das Buch ist bei UVK erschienen.

Boike Rehbein, Klaus-W. West (Hg.)

Globale Rekonfigurationen von Arbeit und Kommunikation

ISBN 978-3-86764-184-5

About Michael Mahlke

Der Autor hat vor, während und nach dem Studium als Dozent in der Erwachsenenbildung gearbeitet, u.a. für die Bundeswehr, die Arbeitsagentur und das Gesamtdeutsche Institut. Er war Leiter einer privaten Wirtschaftsschule und Geschäftsführer einer sozialen Organisation und Berater für die Umsetzung von Arbeit und Alter in Arbeitsprozessen. Er organisierte betriebliche Umstrukturierungen, leitete Konferenzen, schrieb Reden und coachte bzw. begleitete viele Jahre Menschen und Gruppen. Schwerpunkte dabei waren Übergänge, Arbeit und Alter, Konfliktbewältigung und neue Medien. Er ist Publizist, Autor diverser Bücher, Fachvorträge und Artikel und seit ca. zehn Jahren in den Online-Medien unterwegs, erst mit Texten und nach Studien über Cartier-Bresson auch mit Fotos und diversen multimedialen Reportagen.

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