Fachkräftesicherung von W. Axel Zehrfeld (Hg.)

Der Mittelstand steht im Fokus – zumindest in diesem Buch. Das Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V. hat einen Sammelband publiziert, der sich diesem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven nähert.

Das Buch ist nicht besonders theorielastig sondern greift eher die Themen des Alltags im sozialen Miteinander in der mittelständischen Industrie auf und räumt der Theorie in verständlicher Sprache für Nichtwissenschaftler einen angemessenen Platz für die betriebliche Praxis ein.

Ich möchte in dieser Rezension die Verzahnung von Buch und Leben an mehreren Beispielen aufzeigen.

Unter dem Stichwort “Innovative Arbeitspolitik” zeigen die Autoren Martin Kuhlmann und Michael Schumann in dem Artikel “Fachkräftesicherung im demografischen Wandel” den Stellenwert innovativer Formen der Arbeitsgestaltung auf.

Dabei zeigen sie die vielfältigen Schwierigkeiten auf und verweisen darauf, dass sie zum Zeitpunkt der Manuskriptabgabe eine Studie für die Hans-Böckler-Stiftung zum Thema “betriebliche Handlungsbedingungen einer altern(s)gerechter Arbeitspolitik untersuchen.

Dieser Bericht liegt mittlerweile vor als Teil eines größeren Ganzen. Darin kommen die Autoren zu dem Schluss: “Die Potenziale eines demographieorientierten ›Mainstreamings‹ von Tarifpolitik muss
man angesichts der auch in dieser Untersuchung präsentierten Befunde eher skeptisch beurteilen. Allemal ist zu konstatieren, dass Tarifpolitik allein die Probleme im Zusammenhang mit Fragen von Alter und Altern in Erwerbstätigkeit nicht wird lösen können.”

Wenn man dies nun in bezug zu dem hier genannten Artikel setzt und dort liest, dass sich gegenwärtig “viele Betriebe (noch) nicht mit einer Situation konfrontiert (sehen, M.M.), in der das Durchschnittsalter der Belegschaften eine kritische Grenze erreicht hat oder die Rekrutierung von Nachwuchs bereits an Grenzen stößt”, dann wird deutlich, dass dieses ganze Problem eher unternehmensspezifisch zu sehen ist.

So gibt es übrigens vor ca. 2030 für die Unternehmen statistisch auch überhaupt keinen demografischen Druck ältere Arbeitnehmer einzustellen. Aber dies nur am Rande.

Das Buch hat auf mehreren Ebenen einen unerhörten Nutzen, wenn man es als Einstieg und breitgefächerten Querschnitt in das Thema versteht.

Sylvia Knecht hat in dem Buch einen Beitrag zum Thema Berufswechlser in Deutschland geschrieben mit dem Titel “Wenn der Schuster mit seinen Leisten endlich Geld verdient”. Darin schildert sie folgenden Fall: “Axel Haitzer, Inhaber der Agentur Quergeist – spezialisiert auf Personalmarketingkonzepte – machte 2011 einen Selbstversuch bei 250 Unternehmen. Er schrieb sie – getarnt als Bewerber – mit der Bitte an, ihm mitzuteilen, welche Perspektive ihm das Unternehmen als nachweislich qualifizierten Bewerber bieten könne. Ganze sechs Unternehmen antworteten ihm… Und genau da liegt der berühmte Hase im Pfeffer: Denn wer sich wo wenig Mühe gibt, der hat auch kein echtes Personalproblem.”

Dies alles könnte ich ergänzen. Als ich im letzten Jahr 25 Jahre nach meinem Studium und viel Praxiserfahrung in der Industrie und in der Beratung mit 49 daran dachte, mir über eine Promotion ein “Update” zu holen, um mit Anfang 50 hochqualifiziert, aktualisiert und kompetenzerweitert weitermachen zu  können, da erlebte ich ein massives Innovationshemmnis dieser Gesellschaft.

Die Universitäten, die Sozialkassen und die Fördermöglichkeiten sind nur auf Menschen bis maximal 35 Jahre eingestellt oder auf Senioren ab 65. Grob gesprochen ist nicht vorgesehen, dass Menschen gefördert werden und praxisorientierte Promotionen erstellen, die aus dem Beruf nach 25 Jahren eine veränderte berufliche Lebensplanung realisieren wollen und nicht von Hause aus reich sind. Entweder man wird in Deutschland Beamter oder man bleibt ca. 50 Jahre in seinem Beruf – so die Fiktion.

So zeigt das Buch zum Thema “Fachkräftesicherung” auch viele potemkinsche Dörfer auf und sorgt dafür, dass man als Leserin bzw. Leser, die sich für das Thema interessieren, nicht von vornherein durch die massenmedialen Diskussionen irregeleitet wird.

Wenn man das Buch als Einstieg versteht, um sich Überblickswissen zu verschaffen, dann ist es aktuell eine sehr gelungene Publikation. Und sie bietet genügend Anknüpfungsmöglichkeiten, um sie durch weitere Informationen zu ergänzen.

Daher kann man das Buch wirklich empfehlen.

Das Buch ist im FAZ-Institut erschienen.

W. Axel Zehrfeld: Fachkräftesicherung. Situation – Handlungsfelder – Lösungen

ISBN-13: 978-3-89981-282-4

About Michael Mahlke

Der Autor hat vor, während und nach dem Studium als Dozent in der Erwachsenenbildung gearbeitet, u.a. für die Bundeswehr, die Arbeitsagentur und das Gesamtdeutsche Institut. Er war Leiter einer privaten Wirtschaftsschule und Geschäftsführer einer sozialen Organisation und Berater für die Umsetzung von Arbeit und Alter in Arbeitsprozessen. Er organisierte betriebliche Umstrukturierungen, leitete Konferenzen, schrieb Reden und coachte bzw. begleitete viele Jahre Menschen und Gruppen. Schwerpunkte dabei waren Übergänge, Arbeit und Alter, Konfliktbewältigung und neue Medien. Er ist Publizist, Autor diverser Bücher, Fachvorträge und Artikel und seit ca. zehn Jahren in den Online-Medien unterwegs, erst mit Texten und nach Studien über Cartier-Bresson auch mit Fotos und diversen multimedialen Reportagen.

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